Interview: „Die Selbsthilfe in Sachsen ist ziemlich energiegeladen.“

Karolin Amlung, Projektleiterin der Selbsthilfeakademie Sachsen, erklärt im Interview, warum deren Veranstaltungen bei den Selbsthilfe-Akteur*innen gut ankommen.

Frau Amlung, die Selbsthilfeakademie Sachsen gibt es seit zwei Jahren. Was ist Ihr bisheriges Fazit?

Karolin Amlung: Mit Blick auf das bisher Geschaffte können wir eine positive Bilanz ziehen. Die Organisation läuft trotz Corona reibungslos und unsere Seminare sind weiterhin fast alle ausgebucht. Teilnehmende melden uns immer wieder zurück, dass sie mit den Angeboten sehr glücklich sind.

Wir als Projektteam stecken – wenn wir die Vorbereitungsphase mitzählen – schon seit 2018 tief im Thema drin, haben Kontakte geknüpft und viel über die Selbsthilfelandschaft in Sachsen gelernt. Auch unser Beirat mit Expert*innen aus der Selbsthilfe unterstützt uns immer wieder mit neuen Ideen.

Für 2021 haben wir uns Großes vorgenommen: Im März bieten wir über zwei Wochen die Online-Veranstaltungsreihe „Digital durchstarten in der Selbsthilfe!“ an. Damit wollen wir auch diejenigen für die Selbsthilfe fit machen, die bisher noch nicht oder erst sehr wenig mit ihren Gruppen digital aktiv sind. Es ist eben sehr wichtig, dass die Selbsthilfe auch in der Corona-Zeit gut vernetzt bleibt und sich die Betroffenen gegenseitig unterstützen und ermutigen, um mit der Situation besser klar zu kommen.

Selbsthilfegruppen lösen sich vielerorts auf und wirken auf junge Menschen oft angestaubt. Wie greifen Sie diese Entwicklungen im Weiterbildungsprogramm der Selbsthilfeakademie Sachsen auf?

Karolin Amlung: Es fehlt vielen Gruppen an Inspiration für neue Vorgehensweisen. Sie werden von der gesellschaftlichen Weiterentwicklung überrollt und fühlen sich aufgrund des ausbleibenden Nachwuchses sozusagen vom Aussterben bedroht. Dieses Problem ist nicht so einfach zu lösen, denn um auf Ideen für neue Wege zu kommen, braucht es Freiräume und Zeit – was nicht so einfach ist, denn die eigene Selbsthilfe-Aktivität läuft oft nur neben dem Alltag her.

Unser Programm bietet daher viele Impulse mit Themen der stärkenorientierten Selbsthilfe wie „Gesundheit ist ansteckend“ oder „Gruppeninventur: Wie steht es um unsere Gruppe?“. Auch die Nutzung von digitalen Medien eröffnet gerade hier unglaublich große Spielräume und Möglichkeiten – kostet aber Geld und muss erlernt werden. Spätestens seit Corona wird das vielen Menschen nicht nur in der Selbsthilfe schmerzlich bewusst. Auch da setzen wir an und bilden zu digitalen Anwendungen mit unseren Workshops „Das digitale Gruppentreffen" und "Social Media für die Selbsthilfearbeit" weiter.

2019 wurde die Landeskontaktstelle Selbsthilfe Sachsen, kurz genannt LAKOS, gegründet. Diese bietet auch Weiterbildungen an. Ist das nicht eine Doppelung?

Karolin Amlung: Nicht wirklich. Weiterbildungsangebote für die Selbsthilfe kann es nicht genug geben. Die LAKOS richtet sich insbesondere an die professionellen Strukturen der Selbsthilfe wie die örtlichen Kontaktstellen und Landesverbände. Wir hingegen haben insbesondere die Selbsthilfegruppen an der Basis im Blick – eine perfekte Ergänzung also.

Was ist Ihr persönlicher Eindruck von der Selbsthilfelandschaft in Sachsen. Woran krankt es, was gedeiht?

Karolin Amlung: Im Großen und Ganzen habe ich das Gefühl, in der Selbsthilfelandschaft ist in den letzten Monaten vieles im Fluss. Die Strukturen verändern sich und viele neue Initiativen sind entstanden. Umso gespannter bin ich, was da noch alles kommt. Die Selbsthilfe in Sachsen ist zudem ziemlich energiegeladen. Es ist unglaublich, was manche Menschen alles bewegen – und das oft eher nebenbei.

Problematisch wird es meiner Ansicht nach, wenn der positive Blickwinkel aus den Augen verloren wird, wenn es sich in der Gruppe nur noch um Negatives dreht. Da kann die Wirkung von Selbsthilfe auch schnell ins Gegenteil umspringen. Wir bieten denen, die bereit sind sich darauf einzulassen, positive Impulse für ihre eigene Gruppenarbeit an. Da eine veränderte Sicht und ein optimistischer Blick auf die Dinge immer bei sich selbst anfangen, geht es in unseren Workshops nicht selten um die eigene Person. Wie geht es mir in der Gruppe, was tut mir gut? Wo liegen meine Grenzen? Wir nehmen solche Themen verstärkt ins Programm. So unterstützen wir die Selbsthilfegruppen darin, sich auf Ressourcen zu stützen und ihre vorwärts gerichtete Dynamik zu entfalten.

Frau Amlung, herzlichen Dank für das Interview.


Das Interview führte Carolin Schulz, Referentin für Öffentlichkeitsarbeit in der Selbsthilfeakademie Sachsen.


Kontakt:

Karolin Amlung (Projektleiterin der Selbsthilfeakademie Sachsen)

Tel.: 0351 - 828 71 432
E-Mail: karolin.amlung@parikom.de
Web: www.selbsthilfeakademie-sachsen.de