Wie wir von der Natur lernen können aufzutanken

Ein Baum wächst so gut er kann – frei von Angst und Zweifel. Auch im Menschen ist ein natürlicher Antrieb zu wachsen und sich zu regenerieren angelegt. Ein Plädoyer von Selbsthilfe-Referentin Carolin Schulz für Hoffnung und Weiterentwicklung aus uns selbst heraus für 2021.

Kranken Menschen wird oft „Waldbaden“ empfohlen, um Seele und Körper aufzutanken. Hier geht es nicht darum, in einen See zu springen und zu baden. Sondern gemeint ist vielmehr das pure Eintauchen in die Natur. Pur ohne Treckingausrüstung und ohne festes Ziel: Einfach mal einem Rotkelchen oder einem Waldkauz lauschen, die Erde und Blätter riechen oder den Stamm einer Kiefer, Buche oder Eiche erfühlen.

Ein Spaziergang im Stadtpark oder eine Jogging-Runde im nächsten Wald verändern den Blick, geben Hoffnung und wecken bei vielen Menschen ein Gefühl von „auftanken“. Geht es Ihnen ähnlich?

Was ist Auftanken?

Mit Auftanken verbinden Menschen unterschiedliche Qualitäten wie beispielsweise energievoll, fröhlich, mutig oder lebendig zu sein. All diesen Empfindungen ist gleich, dass der Mensch dabei etwas angenehm-motivierendes in sich fühlt. Im Alltag dagegen hetzen wir Menschen oft gefühllos hin und her. Kennen Sie das Gefühl etwas schaffen zu „müssen“?
In meinen „Auftank“-Workshops finden sich viele Teilnehmende darin wieder, denn das Getriebensein erschöpft die Nerven und schadet dem Körper. Wer sich getrieben und ausgebrannt fühlt, dem fehlt der Kontakt zu sich selbst. Das deutlichste Zeichen dafür ist ein Gefühl der Leere und Wertlosigkeit.

In der Natur geht Auftanken ganz natürlich.

Viele Menschen stehen an der Schwelle zu sich selbst. Sie brauchen immer wieder Hoffnungsschimmer und das Gefühl nach Sinn, um sich zu motivieren und an sich dran zu bleiben. Wenn ich die Teilnehmenden in meinen Workshops frage: „Was tankt Sie auf?“, kommen immer wieder ähnliche Antworten wie: „Raus gehen“, „mit dem Fahrrad die Baumallee entlang fahren“, „ich schaue mir gerne meine Pflanzen an“ und „mich unter einen Baum stellen“.

Warum hilft besonders die Natur dabei, den Blick wieder frei zu bekommen und das Wesentliche und Wahre in sich mehr und mehr zu erkennen?

Natur schenkt uns Hoffnung.

Die Natur lehrt uns Geduld, Gelassenheit und Demut vor der Schöpfung. Im Wechsel der Jahreszeiten zeigt sie uns den permanenten und natürlichen Wandel von Zerfall und Neuanfang. Gleichzeitig steht sie als Sinnbild für den inneren Antrieb zu wachsen. Auch ein Baum wächst immer so gut er kann.

Ein Baum steht zeitlebens am gleichen Platz. Je nach Bodenqualität, Licht-, Luft- und Platzverhältnissen entwickelt sich ein Baum immer zu weiter. Er ist frei von Zweifeln, Ängsten und falscher Bescheidenheit. Er fragt nicht: Darf ich mich in meiner vollen Größe zeigen? Ist es in Ordnung mich gut zu fühlen oder nehme ich zu viel Raum ein und störe die anderen damit?
Viele Menschen trauen sich nicht, ihre Fähigkeiten und Talente voll zu leben. Wer sich aber voll einbringt, stärkt neben dem Immunsystem auch die Gemeinschaft, und kann anderen damit als Vorbild wirken.

Wer seinen natürlichen Impulsen nicht folgt, wird krank.

Ein Baum gibt aus sich selbst heraus immer sein Bestes, um zu wachsen und zu gedeihen. Instinktiv. Intuitiv. Auch im Menschen ist dieser innere Antrieb, diese Lebensenergie und -lust zu handeln und zu wirken angelegt. Oft ist dieser natürliche Sinn jedoch verschüttet oder getrübt. Der deutlichste Ausdruck dessen ist Krankheit. Nach östlichen Philosophien ist ein Mensch entweder gesund und die Lebenskräfte fließen frei oder er ist krank. Bei Krankheit ist demnach die Lebensenergie blockiert und innere Hemmungen sind so stark, dass die Kraft auf unnatürliche Weise im Körper weiterströmt bis sie sich in Form einer psychischen oder physischen Erkrankung ausdrückt.

Ob krank oder gesund – in diesen besonderen Zeiten sind wir alle aufgefordert, uns bewusst wahrzunehmen und zu stärken. Wir werden uns erst für uns einsetzen, wenn wir lernen zu fühlen, was wirklich mit uns im Inneren los ist. Das ist keine leichte Aufgabe, denn es ist für jeden und jede von uns eine sehr persönliche Lebensaufgabe.

Es hilft aber sich darüber auszutauschen und voneinander zu lernen, was im jeweiligen Moment wichtig ist, um in die eigene Mitte zu kommen. Und: Erst wenn jeder und jede gut bei sich ist, sich um sich selbst kümmert bei Wind und Wetter (zu sich) steht wie ein Baum, kann auch ein authentisches Miteinander gelingen.

Ich wünsche Ihnen ein gutes Jahr 2021 in neuer Kraft und Tiefe!

Carolin Schulz


Die Autorin: Carolin Schulz ist Referentin für Selbsthilfe im Paritätischen Sachsen und koordiniert die Öffentlichkeitsarbeit der Selbsthilfeakademie Sachsen. Die Kommunikationswissenschaftlerin und Gesundheitsmanagerin begleitet Menschen zu den Themen Achtsamkeit und gesunde Abgrenzung.

In der Selbsthilfeakademie Sachsen bietet die Autorin den Online-Workshop „Auftanken in der Selbsthilfegruppe - wie gesunde Grenzen das Miteinander fördern"  an. Die Veranstaltung gibt Impulse, wie Menschen aus sich heraus auftanken und wie sie sich gesund abgrenzen in Freude und ohne schlechtes Gewissen.

Nächste Termine: 15. Januar 2021 und 28. April 2021

Der kostenfreie Workshop richtet sich an Menschen, die in der Selbsthilfe ehrenamtlich oder hauptberuflich aktiv sind.

Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.selbsthilfeakademie-sachsen.de/angebote/termine/seminar/online-workshop-auftanken-in-der-selbsthilfegruppe-1/