Jetzt wird es ernst! – Gruppenausschluss als letzte Konsequenz?

Eine Versammlung von Menschen, doch eine Person steht Abseits der Gruppe.

Spannungen und Konflikte zwischen Gruppenteilnehmer*innen können die Zusammenarbeit in Selbsthilfegruppen gefährden. Dadurch verliert sich schnell der Blick für das eigentliche Ziel. Was sollte die Gruppe also tun, damit es gemeinsam weitergehen kann?

Selbsthilfegruppen dienen dazu, sich untereinander auszutauschen, eigene Probleme anzupacken und gemeinsam mit anderen Betroffenen aktiv nach Lösungen zu suchen. Allerdings können Störer*innen innerhalb der Gruppe die Zusammenarbeit erschweren sowie gemeinsame Vorhaben aufs Spiel setzen. In extremen Situationen kann dies sogar zum Ausschluss von Gruppenmitgliedern führen. Aber ist eine solche Entscheidung immer die richtige? Zu dieser Frage haben wir uns mit Götz Liefert, Experte für das Miteinander in Selbsthilfegruppen, ausgetauscht.

Frühzeitiges Eingreifen und klaren Kopf behalten

„Im Praxisalltag entstehen Spannungen oftmals durch unangemessene Kommunikationsformen.“, sagt Götz Liefert, Diplompädagoge und Supervisor der Deutschen Gesellschaft für Supervision und Coaching e.V. (DGSv). „Die wahrgenommenen Spannungen sollten in der Gruppe frühzeitig angesprochen werden, damit die Lage nicht noch mehr eskaliert.“, führt er weiter aus.

Im Umgang mit solchen Situationen ist es besonders wichtig, einen klaren Kopf zu behalten und nicht übereilt zu handeln. Deshalb sollte zunächst geklärt werden, welche Störungen vorliegen und wie sie behoben werden können.

Die*Der schon wieder… – Die dominante Persönlichkeit

Handelt es sich bei dem*r Verursacher*in der Störung um eine dominante Persönlichkeit, kann es manchmal sinnvoll sein, dass sich die Gruppenteilnehmer*innen zunächst ohne die betreffende Person über den vorliegenden Regelverstoß unterhalten und beraten. Daraufhin muss die störende Person offen mit dem Problem konfrontiert und mit ihr in einen konstruktiven Dialog getreten werden – Ein respektvoller und sachlicher Umgang miteinander ist dabei das „A“ und „O“. Scheint dies für die Gruppe allein nicht möglich, sollte diese eine*n professionelle*n Moderator*in hinzuziehen.

Bei Grenzüberschreitungen, wie Gewaltandrohungen oder gar -anwendungen gegenüber Teilnehmern*innen, sollte ein Gruppenausschluss sofort erfolgen.

Der Ton macht die Musik – Das (besserwisserische) neue Mitglied

Mitunter stellen neue Gruppenmitglieder das Vorgehen oder die Ziele einer bestehenden Selbsthilfegruppe von vornherein in Frage. Ein derartiges Verhalten ist nicht angemessen.

Um den Gruppenfrieden zu wahren und die Gruppenbalance zu halten, müssen dem neuen Mitglied seitens der Gruppe Grenzen aufgezeigt werden. Gelingt dies nicht, sollte die Gruppe darüber nachdenken, die betreffende Person auszuschließen. Insbesondere um zu verhindern, dass andere Mitglieder sich dazu entschließen, die Selbsthilfegruppe zu verlassen.

Wie lässt sich einem Gruppenausschluss vorbeugen?

Um einem Gruppenausschluss vorzubeugen, ist es notwendig, mit dem*r Betroffenen frühzeitig ins Gespräch zu kommen und das Problem gezielt anzugehen. Damit dabei das notwendige „Wir-Gefühl“ in der Gruppe erhalten bleibt, sollten alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, dem*r Betroffenen weiterhin die Gruppenzugehörigkeit zu ermöglichen. „Bestenfalls sollten Störfaktoren behoben werden, ohne dass jemand die Gruppe verlassen muss.“, meint Götz Liefert abschließend.

Unter folgendem Link finden Sie Veröffentlichungen von Götz Liefert, in denen er sich näher mit diesem und weiteren Themen aus dem Bereich der Selbsthilfe beschäftigt hat.

Die Selbsthilfeakademie Sachsen veranstaltet am 23. Februar 2023 gemeinsam mit Götz Liefert ein Online-Seminar zum Thema „Ausschluss aus der Selbsthilfegruppe als letzte Konsequenz?“. Auch in Zukunft werden uns diese und andere Schwerpunkte aus dem Bereich der Selbsthilfe beschäftigen. Hier erfahren Sie mehr über unser vollständiges Angebot.


Der Autor: Elias Albrecht, Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit in der Selbsthilfeakademie Sachsen.